Montag, 25. November 2013

Warum mich bestimmte Menschen in Zukunft "Gutmensch" nennen sollen

Ich war schon vieles in meinem Leben: der Gute, der Böse, Nationalist, Existentialist, Fundamentalist, Humanist, Liberaler, Kranker und Heiler, Grüner, Schwarzer, Gelber und besseres und schlimmeres...

In letzter Zeit aber ordnen mich immer wieder Mitmenschen in die Kategorie "Gutmensch" ein. Irgendwie ärgert mich das. Ich weiß aber nicht so genau, warum. Was liegt also näher, als einmal zu googeln, was es mit den Gutmenschen oder dem Gutmenschentum, wie es immer wieder heißt, so auf sich hat.

Erstes (und damit ob des Ratschlusses der Algorithmen des allwissenden Google relevantestes) Suchergebnis ist der Eintrag auf Wikipedia:

Gutmensch, so heißt es dort, sei „...eine ironische Verkehrung des ausgedrückten Wortsinns „guter Mensch“ in sein Gegenteil, und gilt als politisches Schlagwort mit meist abwertend gemeinter Bezeichnung für Einzelpersonen oder Personengruppen („Gutmenschentum“), denen ihr Attribut „Gutsein“ oder „Gutseinwollen“ als übertrieben moralisierendes odernaives Verhalten unterstellt wird.“

Hab ich es doch geahnt... „ironische Verkehrung des ausgedrückten Wortsinns „guter Mensch“ in sein Gegenteil“ Deswegen hat es mich geärgert, so genannt zu werden oder doch zumindest ideologisch oft mit derlei Zeitgenossen in einen ideologischen Topf geworfen zu werden. Es scheint sich hier nach Ansicht der breiten Masse, welche diesen Begriff verwendet, um eine negative Eigenschaft zu handeln, weil jene welche naiv bis dümmlich seien...

Dann aber habe ich weiter gelesen, dass das Wort „Gutmensch“ im Januar 2013 bei der Wahl zum Unwort des Jahres auf Platz zwei gelandet ist. Als Grund für die Wahl zu einem der top Unworte, gab die Jury an, mit dem Wort werde „insbesonders in Internet-Foren das ethische Ideal des >guten Menschen< in hämischer Weise aufgegriffen, um Andersdenkende pauschal und ohne Ansehung ihrer Argumente zu diffamieren und als naiv abzuqualifizieren“. Es sei, sie die Jury, ein „Kampfbegriff“ gegen Andersdenkende...

Nun, ich denke oft „anders“. Aber (wie wohl jeder, der überhaupt irgendwas denkt) ich dachte, dass mein Andersdenken eben gut, vielleicht sogar besser sei, als das anderer Andersdenkenden, weil ich doch WIRKLICH das Gute wollte und für mich (was mich ebenfalls mit den meisten Menschen gemein machen dürfte) klar war, dass bei meinen Differenzen mit dem Mainstream allein die pure Vernunft mich antreibt, zu opponieren.

Was macht mich also in den Augen derer, die eher zufrieden sind und die Dinge am liebsten so belassen würden, wie sie sind, zum Gutmenschen? Ich zähle da mal zwei Fakten zusammen, die ich für richtig halte, welche mich aber offenbar verdächtig machen:

1.
Anthropogene Klimaveränderung hin oder her – es spielt keine Rolle ob wir Menschen für den Klimawandel, die Klimakatastrophe oder sonst was in der Richtung verantwortlich sind. Es spielt aber sehr wohl eine Rolle, ob es mit gesundem Menschenverstand vereinbar ist, endliche Ressourcen in einer endlichen Umwelt mit Blick auf bestenfalls mittelfristig Wirtschaftsinteressen derart zu verbrauchen, dass sie Mensch und Umwelt schädigen. Und selbst der in seiner Ansicht gefestigtste „Klimakritiker“ wird anerkennen müssen, dass die Produkte aus der Verbrennung fossiler Energieträger gesundheitsschädlich sind. Auch im Hinblick auf die wertvollen Produkte (Medikamente, Werkstoffe, etc.), welche aus Erdöl hergestellt werden können, ist ein möglichst sparsamer Umgang mit diesem Rohstoff doch schon aus purem Egoismus zwingend geboten.

2.
Ich glaube, dass wer sich „christlich“ nennt, auch so handeln sollte, weil er sich ansonsten nicht nur unglaubwürdig macht, sondern all seine Argumente schwachsinnig erscheinen lässt. Wer zum Beispiel sagt, dass die Vorstellung eines personalen Gottes nicht reiner Aberglaube ist, andererseits aber für diesseitige Vorteile die Regeln der eigenen Religion verletzt und sogar den großen neutestamentlichen Lehrer, den Verkünder der frohen Botschaft brüskiert, indem er gegen dessen Lehre handelt, der widerlegt sich selbst – automatisch.

Naja – und dann habe ich noch viel mehr Vorstellungen und Ideen, die gelegentlich als Gutmenschentum abgetan werden. Aber um die geht es hier ja nicht. Es geht darum, warum ich in Zukunft gerne als Gutmensch bezeichnet werden will.

Als Mitglied des Deutschen Journalisten Verbandes gehe ich davon aus, dass die Funktionäre dieses Verbandes ganz richtig liegen, wenn sie vermuten (übrigens im Einklang mit renommierten Sprachwissenschaftlern), der Ursprung des Wortes „Gutmensch“ sei in der Sprache des Nationalsozialismus zu suchen.

Kardinal Graf von Galen hatte sich zur Zeit des staatlich geförderten Rassenwahns gegen die Ermordung von Menschen mit Behinderung eingesetzt. Er und seine eine Anhänger, die gegen dieses unmenschliche Verbrechen protestierten, wurden von den Nazis mit „Gutmensch“ bezeichnet. Ein weiterer Hinweis auf den Urspurung des Wortes im Nazi-Jargon ist die Tatsache, dass es sich möglicher Weise aus dem Jiddischen „a gutt Mensch“ ableitet. Der DJV verweist ausserdem auf Adolf Hitler, der in seinem Buch „Mein Kampf“ die Vorsilbe gut wiederholt in abwertendem Zusammenhang verwendet hatte.

Ach so? Ein Gutmensch ist also einer, der den Nazis nicht in den Kram passt???

Hehe – bitte, ihr Leute, die ihr meine Argumente nicht hören wollt, mich als ideologisch verbrämt einstuft und glaubt, ich könne mit meinen Ansichten nicht im Recht sein: nennt mich gerne einen Gutmenschen :-) Ich verstehe das in Zukunft als Auszeichnung meiner Eigenschaft, ideologisch nicht zu euch zu passen. Und ich werde diesen und auch andere Titel, die ihr mir verleiht, mit stolz, wie Einen Orden vor mir hertragen. Nicht nur, weil er mich als etwas wirklich besonderes kennzeichnet, sondern weil er offenen Menschen auch gleich ermöglicht zu erkennen, wess Geistets Kind ihr seid...


Selbstverständlich irre ich mich immer wieder mal. Aber ich mache keinen Hehl daraus. Ich ändere Meine Meinung, wenn ich erkenne, dass ich einer falschen Annahme aufgesessen bin. Aber bei Euch habe ich das noch nie gesehen – diesen Prozess der selbstkritischen Reflexion...

Keine Kommentare: